Am Anfang war das Moor

Entstehung der HRS Twist

Am Donnerstag, dem 7. August 1975 wurde in den neuen Räumen des Schulzentrums Twist mit dem Unterricht begonnen. Offiziell wurde die Schule am 29. August ihrer Bestimmung übergeben. In einer denkwürdigen Feier, an der viele Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens teilnahmen, stellte der damalige Oberkreisdirektor Dr. Kolck in seiner Ansprache fest: „Diese Schule ist der erste verwirklichte Teil eines kühnen Planes der Gemeinde Twist, an dieser Stelle ein großes Gemeindezentrum mit Schule, Sportanlagen, mit Rathaus und Park zu errichten. Damit wird die große Flächengemeinde Twist ihren Mittelpunkt erhalten, auf den das gemeindliche Leben ausgerichtet sein soll…“ Und der zuständige Schulrat Escher betonte: Schule und Kirche hätten schon in der Vergangenheit die Integration der Bürger gefördert. In Twist seien durch die Neuorganisation des Schulwesens gute Voraussetzungen für ein allmähliches Zusammenwachsen der Menschen in der neuen Großgemeinde gegeben. Die relative Selbständigkeit der einzelnen Ortsteile werde durch die Grundschule unterstrichen, die Integration des Ganzen durch die Errichtung des Schulzentrums gefördert. Insofern sei die Zentralisierung im Schulwesen für Twist – weil sie zu überschauen sei – positiv zu bewerten. Die Integration der verschiedenen Ortsteile der erst 1974 entstandenen Gemeinde Twist war in der Tat ein zentrales Anliegen. Die Kolleginnen und Kollegen, die die ersten Schuljahre an der neuen Schule miterlebten, werden sich noch sehr genau an die kleineren und größeren Rivalitätskämpfe zwischen den Schülerinnen und Schülern aus den verschiedenen ehemals selbständigen Dörfern erinnern. Doch mit den Jahren gelang es tatsächlich, zunächst „Waffenstillstand“ und schließlich so etwas wie Frieden zu schließen. Heute sind derartige Zwistigkeiten in der Schülerschaft kaum noch festzustellen.

Bevor es jedoch zur Einweihung der neuen Schule kam, waren Jahre des Planens, des Überdenkens und Umorganisierens notwendig. Dieser Aufgabe hatte sich der spätere erste Schulleiter des Schulzentrums, Rektor Hubert Mijalski, angenommen. Aus seinen Aufzeichnungen des Schuljahres 1970/71 in der Schulchronik geht hervor, dass er sich bereits zu diesem frühen Zeitpunkt mit weitreichenden Planungen des Twister Schulwesens befasste.

Dreh- und Angelpunkt seiner Überlegungen sollte die von der Niedersächsischen Landesre­gierung propagierte neue Schulform der Orientierungsstufe sein. Im Gegensatz zu anderen Regionen des Landes standen die Bevölkerung und die politische Gemeinde Twist diesem Projekt wohlwollend gegenüber. Für den damaligen Bürgermeister und Landtagsabgeordneten Hermann Nottberg und für den langjährigen Gemeindedirektor Hans Möller eröffnete sich die Möglichkeit, endlich dazu beizutragen, das Bildungsgefälle zwischen Stadt und Land deutlich abzubauen.

Beide Kommunalpolitiker waren also sehr damit einverstanden, in Hubert Mijalski einen engagierten und kompetenten Schulleiter zu haben, der das Zeug dazu hatte, die kühnen schulpolitischen Pläne der Gemeinde in die Tat umzusetzen.

In der Chronik für das folgende Schuljahr heißt es zur künftigen Organisation des Schulwesens: „Twist soll endgültig Standort für eine Orientierungsstufe werden. Diese Orientierungsstufe soll vorläufig in der hiesigen Schule aufgebaut und geführt werden. Alle Schüler der Grundschule (der Siedlung) sollen in der Marienschule auf dem Bült zusammengefasst werden. Für die Hauptschule mit einem Realschulzug wird ein neues Schulzentrum in der Nähe der alten Rühlertwister Schule gebaut werden. Die Schule in Twist Schöninghsdorf wird nur noch für die Grundschüler dieses Raumes benutzt werden. In weiterer Zukunft werden in dieses Verbundsystem auch die Schüler von Adorf, Neuringe und Rühlermoor einbezogen werden.“ Im Schuljahr 1972/73 schreibt Rektor Mijalski: „Ein weiterer Schritt in Richtung auf die künftige Organisation des Twister Schulwesens bildete die Verlegung der Förderstufe an die hiesige Schule. Sie sollte vom Schuljahr 1973/74 ab auch den hiesigen Schülern angeboten werden. Andererseits soll sie als Vorläufer der Orientierungsstufe interessierten Lehrpersonen die Einarbeitung besser ermöglichen, denn sie wird im folgenden Schüljahr dreizügig und im Schuljahr 1974/75 möglicherweise fünfzügig geführt werden.“ Um den nötigen Unterrichtsraum zu schaffen, sollten einzelne Jahrgänge der Grundschule in der Marienschule unterrichtet werden.

Ab August 1973 wurden dann drei fünfte Klassen mit zusammen 86 Kindern zu einer Förderstufe zusammengefasst. „Die Arbeit wurde so ausgerichtet, dass sich damit dem Kollegium erste Möglichkeiten zur Einarbeitung in lernzielorientiertes Planen und in Teamarbeit boten. Vor allem wurde versucht, Differenzierungsmöglichkeiten in den Fächern Englisch und Mathematik zu erproben.“

Bereits jetzt herrschte in der Schule in der Siedlung eine erhebliche Raumnot. Man hoffte, im Schuljahr 1974/75 erste Klassen in dem. neuen Gebäude (Schulzentrum) unterbringen zu können. Immerhin war mit dem Bau am Ende des Jahres 1973 begonnen worden.

Zu Beginn des Schuljahres 1974/75 besuchten die Schülerinnen und Schüler der fünften Jahrgänge aller Twister Schulen gemeinsam die Förderstufe der Siedlungsschule. Insgesamt waren es 159 Schüler, die in fünf Parallelklassen unterrichtet wurden. Damit begann die Phase der praktischen Erprobung. Besonders das parallele Arbeiten zwischen den verschiedenen Klassen war für das Kollegium ungewohnt. In zahlreichen Konferenzen wurden Unterrichtseinheiten geplant und Tests zur Leistungsüberprüfung entworfen. Es galt, die Balance zu halten zwischen individueller pädagogischer Freiheit des Einzelnen und dem Einhalten gemeinsamer Absprachen. Erfreulicherweise wa­ren die meisten Kolleginnen und Kollegen zu diesem Kompromiss und zu der recht großen Mehrbelastung bereit.

Mit der Antragstellung zur Einrichtung einer Orientierungsstufe begann eine große Diskussion über die Ausrichtung des Twister Schulwesens. Demnach soll die OS nun in dem neuen Schulzentrum untergebracht werden. In den vier größeren Ortsteilen sollen selbständige Grundschulen bestehen bleiben. Die Grundschulen in Hebelermeer und Neuringe sollen aufgelöst werden, und der Bestand der Grundschule Adorf wird ebenfalls in Frage gestellt…

Im August 1975 ist es dann endlich soweit: „Es war ein seltsames schulorganisatorisches Gemisch, das sich zwischen den noch recht kahlen Betonwänden und -pfeilern breitmachte: sechs Klassen einer neueröffneten Orientierungsstufe (5. Schuljahr), fünf Klassen der auslaufenden Förderstufe (6. Schuljahr) und drei Klassen eines 7. Hauptschuljahrgangs… Da man allerdings bald feststellte, dass das in der Siedlung verbliebene 8. und 9. Schuljahr nur sehr umständlich zu unterrichten war, holte man diese beiden Klassen auch unter Ausnutzung der Fachräume in das Schulzentrum nach.“ Insgesamt waren es zunächst 488 Schüler, die in 16 Klassen unterrichtet wurden.

Leiter der neuen Schule war Rektor Hubert Mijalski, sein Stellvertreter Konrektor Rolf Kohmüller, der zugleich die OS kommissarisch leitete.

(Aus der Chronik zum 10-jährigen Bestehen von H. H. Bechtluft)

Der Schulchronik kann man entnehmen, dass die Arbeit an der neuen Schule (trotz erheblicher zeitlicher Belastung) mit großem Elan begonnen wurde. Besonders die neuen Fachräume (Naturwissenschaften, Werken u. Hauswirtschaft) mit ihrer hervorragenden Ausstattung motivierten Lehrer wie Schüler gleichermaßen. Lediglich ein gravierender Mangel war dem sportbegeisterten Schulleiter von Anfang an ein Dorn im Auge: die fehlende Turnhalle. Sie konnte leider erst im Sommer 1978 offiziell ihrer Bestimmung übergeben werden. Bis dahin musste der Hallenunterricht auf dem Bült und in der Siedlung stattfinden. Glücklicherweise wurde recht zügig eine hervorragende Außensportanlage geschaffen, die den Mangel wenigstens teilweise ausglich. Als im Dezember 1980 das Hallenbad in Betrieb genommen werden konnte, waren die Bedingungen für den Sportunterricht nahezu ideal, auch wenn aus heutiger Sicht die Turnhalle eine Nummer zu klein aus­fiel.

Der Schulentwicklungsplan der Gemeinde deutete ein großes Problem frühzeitig an: die rasante Entwicklung der Schülerzahlen. Bereits 1975 war die Schule eigentlich zu klein. Als dann nach erheblichen Schwierigkeiten zum August 1977 ein Realschulzug angegliedert wurde, stand fest, dass das Raumangebot der Schule um vier weitere Klassenräume erhöht werden musste.

Erst im Juni 1979 konnten die neuen Unterrichtsräume bezogen werden. Trotzdem war die Raumnot im Schulzentrum nicht behoben. Zunächst wurden Klassen des 8. ‚später des 5. Jahrgangs in Klassenräumen der Marienschule unterrichtet. Die zusätzliche Belastung der Kolleginnen und Kollegen, die am Vormittag bis zu zwei An- und Abfahrten in Kauf nahmen, dauerte bis zum Ende des Schuljahres 1987/88. Erst mit dem Anbau weiterer vier allgemeiner Unterrichtsräume im Schuljahr 97/98 ist der Platzmangel im Schulzentrum behoben. Die Entstehungsgeschichte des Schulzentrums Twist war kompliziert und nicht ohne Schwierigkeiten. Wenn man nur daran denkt, welches Durchsetzungsvermögen der Verantwortlichen in der Gemeinde es bedurfte, um gegen den Widerstand der damaligen Schulaufsicht u.a. die Realschule durchzusetzen, so kann man die Freude und Genugtuung des ehemaligen Landtagsabgeordneten und Altbürgermeisters Hermann Nottberg nachempfinden, als er im Juli 1981 anlässlich der Schulentlassungsfeier zu den ersten Entlassschülern der Realschule Twist sprach.

In seiner Chronik zum 10-jährigen Bestehen der Schule unterstreicht H. H. Bechtluft die besondere Rolle der bis dahin tätigen Schulleiter: „Es ist das bleibende Verdienst der genannten Schulleiter (H. Mijalski, H. Reinert u. F. Folkers), in Zusammenarbeit mit engagierten Lehrerinnen und Lehrern eine auf dem Reißbrett entworfene und dann in den Mittelpunkt der erst 1974 entstandenen Gemeinde Twist hineingesetzte Schule solide im Bewußtsein der Bürger verankert zu haben.“